Interview mit Checker Tobi
Kommen Kinder bei uns zu kurz, Tobias Krell?
Unterwegs in der Mongolei: Tobias Krell.
Quelle: Verleih
Alle Kinder kennen Checker Tobi, doch genau genommen heißt der Fernsehmoderator hinter dieser Rolle Tobias Krell. Ein Gespräch über Respekt für Lehrer, die fehlende Lobby der jungen Generation – und den schwierigen Job des Bundeskanzlers.
In mehr als 150 Folgen ist Tobias Krell bereits als „Checker Tobi“ für den öffentlich-rechtlichen KiKa-Kanal auf Sendung gegangen. Seit 2013 erklärt er Kindern die Welt und stellt mit Begeisterung und niemals nachlassender Neugier immer neue Fragen. Erst hält er gelbe Zettel mit der gerade anliegenden Problemstellung in die TV-Kamera, und dann zieht er los, um im Auftrag seines jungen Publikums Badeseen, Paketdienste oder auch die Demokratie zu checken. Fragen lauten dann zum Beispiel: „Was steht im Grundgesetz?“ oder „Was machen die Abgeordneten im Bundestag?“. Krell ist 1986 geboren und hat zwei jüngere Geschwister. Seine Mutter ist Musikwissenschaftlerin, sein Vater Kameramann. Er hat Soziologie und Politik studiert und an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg seinen Master als Medienwissenschaftler abgelegt. Manchmal stürzt er sich auch in ein Kinoabenteuer, so auch nun wieder in „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ (Start: 5. Oktober), eine Schnitzeljagd um den halben Globus, bei der es um eine Schatztruhe und um unser (Über-)Leben auf diesem Planeten geht.
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Herr Krell, haben Sie wirklich ein Stofftier im Bett, so wie in Ihrem neuen „Checker Tobi“-Kinofilm zu sehen?
Nein, der echte Tobias Krell hat kein Stofftier im Bett. Aber Checker Tobi hat ein Stofftier in der Wohnung, die am Anfang unseres Kinofilms „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ zu sehen ist. Das ist eine kleine Hommage an unseren ersten Kinofilm: Das Stofftier wurde eigens für die Szene angefertigt und erinnert an das Bärtierchen, das ich im vorigen Film entdeckt habe.
Kein einziges Stofftier? Wirklich?
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Also gut, ich habe noch einen alten, braunen Affen mit unglaublich langen Armen zu Hause. Aber der darf nicht ins Bett.
Nehmen wir mal an, Sie würden über einen 100 Milliarden schweren Extrafonds verfügen, so etwas ist ja gerade üblich. Sie können den Fonds nach eigenem Belieben für Kinder in diesem Land ausgeben, und Stofftiere sind schon eingepreist. Wie investieren Sie das Geld?
Bildung ist für mich das Thema schlechthin. Da gibt es meiner Meinung nach viel zu tun. Das fängt bei Dingen an, die längst etabliert sein müssten. Von der Kita an würde ich durchgehend das Fach Medienerziehung einrichten. Ich merke immer wieder, dass Kindern jedes Gefühl dafür fehlt, in welchem Raum sie sich in den sozialen Medien bewegen. So viel Zeit ihres Lebens werden sie dort verbringen oder tun es schon, aber viele sind nicht vorbereitet.
Sie haben noch ein paar Milliarden übrig.
Ich würde die Klimakrise anpacken und zum Beispiel noch stärker in erneuerbare Energien investieren. LNG-Terminals sind für den Übergang schön und gut, aber die müssen für eine klimarealistische Politik so schnell wie möglich wieder weg. Und dann ist da die fehlende soziale Gerechtigkeit: Gerade bei den Jüngsten wird nicht genug für Chancengleichheit getan. Soll ich weitermachen?
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Wenn so viel getan werden muss, heißt das auch, dass Kinder in diesem reichen Land zu kurz kommen. Wie kann das sein?
Sie haben keine wirkliche Lobby. Kinder werden zu wenig gehört, in der Politik eh, aber leider auch in vielen Familien. Oft bekommen sie gesagt: Das verstehst du noch nicht! Oder: Ich habe jetzt keine Zeit. An dieser gesellschaftlichen Realität muss sich dringend etwas ändern.
Das Verfassungsgericht musste die Bundesregierung 2021 dazu verdonnern, bei ihrer Klimaschutzpolitik die Zukunft der Jugend mitzudenken. Sind wir Erwachsene Egoisten?
So pauschal würde ich das nicht sagen. Viele Ältere tun etwas. Und wer sich mit drei Jobs rumschlägt, um seine Familie zu ernähren, hat keine Energie mehr, um sich ums Klima zu kümmern. Über die aktuellen Nöte von heute dürfen wir aber nicht die Bedürfnisse der Jüngeren ausblenden. Vielleicht ändert sich da gerade etwas: In jeder Nachrichtensendung spielt das Klima eine Rolle, egal ob es um Überschwemmungen, um Brände oder tatsächlich um Klimapolitik geht. Das Bewusstsein wächst. Bloß kommt diese Prioritätenverschiebung zu spät.
Versteht sich mit Kindern und Hunden: Tobias Krell.
Quelle: Verleih
Haben Sie Verständnis für junge Menschen, die sich auf Autobahnen festkleben?
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Auch wenn ich mich selbst nicht dazukleben würde: Ja, hab ich. Ich habe andere Mittel, um auf die Bedrohung aufmerksam zu machen. Es gibt bei uns im Kinderkanal von ARD und ZDF kaum noch eine Sendung, in der das Thema Klima außen vor bleibt. Kürzlich haben wir einen Hotelcheck gemacht, da ging es unweigerlich um Energieverschwendung. Wir sind aber nie mit dem moralischen Zeigefinger unterwegs.
Wieso sind Klimakleber so unbeliebt?
Erschreckend ist, wie kurz bei vielen mittlerweile die Zündschnur ist. Schnell kippt da etwas in Aggression oder gar in Gewalt um. Man spürt die Spaltung der Gesellschaft, nicht nur die zwischen den Generationen. Trotzdem ist es legitim, die Protestform des zivilen Ungehorsams zu wählen. Ich hoffe sehr, dass die Klimakleber aufrütteln.
Haben Kinder ein größeres Gerechtigkeitsgefühl als Erwachsene?
Kinder haben ein riesiges Interesse an Gleichheit und Fairness. Vielleicht haben sie noch nicht genug mitbekommen von der Welt, um Vorurteile zu entwickeln. Vielleicht wird dieser Gerechtigkeitssinn später von anderen Dingen überlagert. Sie reagieren auf jeden Fall ungefilterter auf Filmszenen wie zum Beispiel die, in der wir den von Bränden verwüsteten brasilianischen Urwald zeigen. Ihre Reaktion in Testvorführungen war ganz klar: Wir dürfen Wälder nicht abholzen, das ist ungerecht.
Sie haben als Checker Tobi den Bundeskanzler interviewt. Hat sich Olaf Scholz sein Gerechtigkeitsgefühl bewahrt?
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Ich glaube, er tut, was er tun kann. Er will das Beste für dieses Land. In der Sendung hat er den Eindruck erweckt, dass er in der Lage ist, ganz jungen Menschen zuzuhören. Ob er immer die richtigen Prioritäten setzt, ist eine andere Frage. Aber ehrlich gesagt möchte ich meinen Job nicht mit dem des Bundeskanzlers tauschen. Man muss sich nur mal anschauen, wie voll der Kalender von Spitzenpolitikern ist und wem sie alles gerecht werden sollen. Man tut sicher den meisten Politikern Unrecht, wenn man ihnen unterstellt, sie wollen nur ihre Diäten einstreichen.
Bereiten Sie sich auf einen Bundeskanzler als Gast anders vor?
Jein. Normalerweise würden wir Expertinnen und Experten ja da treffen, wo sie arbeiten. Also den Zuckerrübenbauer besuche ich auf dem Feld. Die Fragen ergeben sich aus der Situation. Mit dem Kanzler saßen wir auf dem Sofa, alles war weniger flexibel. Aber auch bei ihm galt mein Prinzip: Ich frage so lange, bis ein Kind die Erklärungen möglichst auch versteht.
Jetzt startet Ihr zweiter Kinofilm. Haben Sie nicht schon mit Ihren Fernsehsendungen genug zu tun?
Kino ist meine Leidenschaft. Bei so einem Film geht ein Traum in Erfüllung – allein die Reisen in den brasilianischen Regenwald oder in die mongolische Steppe. Immer geht es bei unserer Schnitzeljagd um die überlebensnotwendige Luft um uns herum. Im Kino erreicht man eine ganz andere Wirkung als auf dem Fernseher im Wohnzimmer. Kino ist immer noch ein Erlebnis.
Empfinden Sie sich als Pädagoge?
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Gar nicht. In der Redaktion sind wir Journalisten und Journalistinnen und orientieren uns an unserem Bauchgefühl und an unserer Erfahrung. Wir haben hoffentlich ein Gespür dafür entwickelt, wie sich für Kinder zum Beispiel schwer greifbare Zahlen visualisieren lassen. Mir ist wichtig, vor der Kamera ich selbst zu sein. Wenn ich anfange, den Fragesteller nur zu spielen, bin ich sofort unglaubwürdig. Glücklicherweise bin ich von der Natur aus mit Neugier gesegnet.
Wie sehr motiviert Checker Tobi sein Publikum?
Für viele Kinder habe ich bestimmt eine Vorbildfunktion. Checker Tobi motiviert sie, Forscher oder Forscherin zu sein oder das zumindest zu spielen. Sie wollen die Welt entdecken, Sachen rausfinden und experimentieren. Was sie in den Sendungen lernen, bringen sie irgendwie in ihrem Leben unter. Deshalb haben wir eine große Verantwortung.
Gutes Stichwort: In der Corona-Pandemie galten Sie mit Ihrer Sendung als Lehrer der Nation: Haben Sie davon etwas mitbekommen?
In der Redaktion haben wir das gespürt. Wir haben viel Feedback bekommen von Eltern, die sich bedankt haben. Welche Rolle wir beim Homeschooling gespielt haben, wurde uns erst später klar: Lehrkräfte haben unsere Sendungen regelmäßig im Unterricht verwendet. Checker Tobi stand auf dem Stundenplan. Das Tolle war, dass sich auch die Zuschauerschaft verändert hat: Plötzlich setzten nicht mehr nur Bildungsbürgereltern ihre Kinder vor den KiKA, da saßen alle.
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Kann man wirklich noch einen Kinofilm drehen, in dem man aus Abenteuerlust um die halbe Welt fliegt?
Die Frage haben wir uns auch gestellt. Für einen Film, der sich letztlich auch um die Klimakrise dreht, verursachen wir einen ordentlichen CO₂-Fußabdruck. Natürlich haben wir die Flüge ausgeglichen. Wichtig war für mich aber etwas anders: Sieben Leute sind geflogen. Wir nehmen aber Hunderttausende Kinder auf unserer Reise mit. Sie wissen nun, dass der abgebrannte Wald in Brasilien auch mit ihrem Fleischkonsum zu tun hat.
Und wenn Ihr Publikum nun in den Urlaub nach Brasilien fahren will?
Das könnte passieren. Es ist ein faszinierendes Land! Und es wäre ja auch fatal zu sagen, dass Kinder überhaupt nicht mehr nach Brasilien fliegen dürfen.
Viel ist nach der Pandemie von psychischen Störungen bei Kindern die Rede: Wie sehr haben sie gelitten?
Vieles wurde auf ihrem Rücken ausgetragen. Da sind wir wieder bei der fehlenden Lobby. Entscheidungen wurden über ihre Köpfe hinweg getroffen, angefangen vom Homeschooling bis hin zu Kontaktbeschränkungen. Auch die Bürde, die auf Eltern lastete, ist nicht zu vernachlässigen. Ich kriege jetzt häufiger Nachrichten von Teenagern, die früher meine Sendungen geguckt haben. Sie weisen mich darauf hin, dass mehr über psychische Krankheiten informiert werden müsse. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich nur noch auf Kinder treffe, die von einer depressiven Verstimmung befallen sind. Aber ich weiß auch nicht, was da noch hinterherkommt.
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Wie viel kann man Kindern zumuten?
Prinzipiell glaube ich, dass man Kindern jedes Thema erklären kann. Es kommt nur darauf an, wie. Wir haben schon Sendungen gemacht zu Depression, Tod, Ukraine-Krieg oder Krebs. Wir würden uns auch einer Sendung stellen, in der es um Kindersoldaten geht. Allerdings weiß ich nicht, ob man einem Sechsjährigen unbedingt ohne Filter sagen muss, was es für schreckliche Dinge auf der Welt gibt. Ich muss mit Kindern nicht über Kinderprostitution sprechen. Ausschließen würde ich erst mal aber kein Thema.
Klingt so, als wäre es die größere Gefahr, Kinder zu unterfordern.
Das glaube ich unbedingt. Ich bekomme oft mit, wie sehr sie sich freuen, wenn sie gefordert werden.
Bei Ihnen sieht es der Umgang mit Kindern so ganz unangestrengt aus: Verstehen Sie die Beschwerden von Lehrerinnen und Lehrern, die sich permanent überfordert fühlen?
Ja, wobei ich glaube, dass das oft strukturelle Überforderungen sind. Ich habe größten Respekt vor Lehrkräften, die jeden Tag vor viel zu großen, lärmenden Klassen stehen. Wenn die Lehrkräfte engagiert sind, wollen sie auf den Einzelnen eingehen. Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Ich hab es im Umgang mit Kindern viel leichter, ich bin als der Typ aus dem Fernsehen immer etwas Besonderes. Und da sind wir wieder beim Hundert-Milliarden-Fond. Im Bildungssystem müsste viel passieren – und zwar sofort.
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Fühlen Sie sich manchmal zu alt, um Kindern die Welt zu erklären?
Wichtig ist vor allem die authentische Neugierde. Peter Lustig war schon alt und immer noch voll dabei. Also eine Weile mache ich das sicher noch. So lange die Kinder nicht das Gefühl haben, dass sie einem alten Onkel zuschauen, ziehe ich gern weiter als Checker Tobi los.
Können Sie sich vorstellen, selbst Kinder zu haben in dieser Welt?
Ja, unbedingt. Es gibt einen tollen Song von der Band „Get Well Soon“. Da heißt es: „Kids into this world?“ Und: „Yes, until no prick is in charge no more.“ Also man muss sich darum kümmern, dass keine Idioten mehr rumlaufen, die diese Welt kaputtmachen. Insofern sollten wir einen positiven Spirit behalten.